Abgeltung von Überstunden, Mehrarbeitsvergütung

I.

Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung von Mehrarbeitsvergütung (Überstunden) in einem Formulararbeitsvertrag - AGB-Kontrolle
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, 5 AZR 765/10

Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nach dem BAG nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG 01.09.2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN, BAG - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN).

Die Parteien hatten zwar in dem Arbeitsvertrag bestimmt, dass der Kläger für Über- und Mehrarbeit keine gesonderte Vergütung erhalte. Diese Regelung ist jedoch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Sachverhalt:
Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 € bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 geleistete Überstunden für die letzten 3 Jahre.

Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war nach Ansicht des BAG die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

Eine Klausel kann allerdings auch zulässig sein wie folgendes Urteil zeigt.

II.

Pauschalvergütung von Überstunden - Inhaltskontrolle
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.5.2012, 5 AZR 331/11

Leitsatz
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ausschließlich die Vergütung von Überstunden, nicht aber die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden regelt, ist eine Hauptleistungsabrede und deshalb von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen.

Danach ist laut dem BAG eine Klausel, nach der in der vereinbarten Monatsvergütung die ersten zwanzig Überstunden monatlich „mit drin” sind, weder überraschend noch intransparent und insofern zulässig und wirksam. Auszug aus dem Urteil:

"a) Die streitgegenständliche Klausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel, in der vereinbarten Vergütung seien die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“, klar und verständlich. Aus der Formulierung „mit drin“ ergibt sich - nicht nur im bayerischen Sprachraum - unmissverständlich, dass mit der Monatsvergütung neben der Normalarbeitszeit bis zu zwanzig Überstunden abgegolten sind. Durch die hinreichend bestimmte Quantifizierung weiß der Arbeitnehmer, „was auf ihn zukommt“: Er muss für die vereinbarte Vergütung ggf. bis zu zwanzig Überstunden monatlich ohne zusätzliche Vergütung leisten.

Dass die Klausel sich nicht zu den Voraussetzungen verhält, unter denen der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden soll anordnen dürfen, steht ihrer Transparenz nicht entgegen. Anordnungsbefugnis und Vergütung von Überstunden sind unterschiedliche Regelungsgegenstände. Ob Überstunden überhaupt angeordnet werden dürfen, ist für die Frage ihrer Vergütung unerheblich.

b) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die streitgegenständliche Klausel nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Nach dieser Vorschrift unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur dann, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören Klauseln, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, nicht. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt.

Die Klausel, in der vereinbarten Monatsvergütung seien die ersten zwanzig Überstunden monatlich „mit drin“, betrifft nur die (Mit-)Vergütung dieser Überstunden, ohne zugleich die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Ableistung von Überstunden zu regeln. Sie ist damit eine Hauptleistungsabrede, die nur die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft. Die vom Bundesarbeitsgericht bislang offengelassene Frage, ob eine Klausel, die eine Pauschalvergütung von Überstunden mit einer Abrede über die Befugnis des Arbeitgebers zur Anordnung von Überstunden kombiniert, eine kontrollfähige Preisnebenabrede ist, bedarf weiterhin keiner Entscheidung."